Publikumskommentare
Soest,
15. Januar 2011
Brief  von Hartmut Lux, Dichter und freischaffender Maler in Soest
www.hartmut-lux.org

Drei Wochen waren vergangen, seit wir in diesem Flügel des biologisch-dynamisch bewirtschafteten 'Gärtnerhofes' in Röllingsen wie in jedem Jahr die Aufführung des 'Christgeburtspieles' hatten miterleben können: im Stall, vereint mit Kühen und Kälbern (und Katzen). Nun, drei Wochen später, befanden wir uns wiederum hier, im Veranstaltungsraum eine Etage höher und saßen deshalb statt auf Strohballen auf komfortableren Stühlen, über uns das Dach des alten Gebäudes, vor Augen dessen tragende Balken und ziegelrote Mauern.

   Vor Augen jedoch vor allem natürlich die improvisierte Bühne, sie bot wenig Raum für den Eurythmisten, noch weniger für die Musiker, ihre Instrumente, immerhin ein Klavier und ein Cello. - Franz Schuberts 'Winterreise' sollte zur Aufführung gebracht werden, allein durch Musik und Eurythmie, und wer auf die Texte nicht verzichten wollte, hatte sie immerhin zur Hand, im Programm waren sie dankenswerterweise abgedruckt; so konnte rasch ein Blick Orientierung geben, wo man sich gerade befand.

   Und 'Orientierung' führt vielleicht als Schlüsselwort zu einem Geheimnis dieser Aufführung; denn schon nach wenigen Liedern war man wirklich unterwegs, Eurythmie und farbiges Licht schienen den Raum zu weiten, die Mauern aufzulösen. Und je weiter die Reise hinaus in den Umkreis führte, erschien aus dem Gegenpol, dem Seeleninnern, das Reiseziel, glomm auf wie ein Stern in der Nacht, wie das 'Geisteskind im Seelenschoß' in der Stille der Weihnacht. Überrascht wurde man gewahr: diese Reise führt im Innern wie im Äußern den Menschen zu sich selbst, zum jenem Ich, aus dem alle Kraft für die Lebenswege auf der Winter-Erdenreise quillt.

   Unser Dank gilt Birgit und Marc Böhme als dem 'Duo Chagall', sowie dem Eurythmisten Jörg Schröder; wer weiß, ob die Kunst zu solchem Zauber sich hätte entfalten und wirksam werden können, wenn die Künstler nicht mit derart innigem Engagement zu Werke gegangen wären. Im Innersten gestärkt, verließen wir Gäste dankbar den Raum, das Haus, begaben uns hinaus in den Januarabend, ein jeder auf seine Winterreise.

Hartmut Lux